Rede 14.11.20 – Abtreibung legalisieren!

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Am 14.11.20 demonstrieren wir gemeinsam mit dem Bündnis „Abtreibung legalisieren! – Antifeminismus sabotieren“ gegen fundamentalistische Abtreibungsgegner*innen.

 

Wenn man sich den Wortlaut und die Urteile zu den deutschen Abtreibungsparagraphen §218 und §219 StGB anschaut, dann wird deutlich, dass es hier nicht um einen „Kompromiss“ zwischen zwei ethischen Positionen geht, als welche die Regelung zum Schwangerschaftsabbruch in Deutschland so gerne bezeichnet wird und was die Abtreibungsgegner*innen jetzt scheinbar einseitig „aufkündigen wollen“.

Nein, im Endeffekt ist in diesen Paragraphen festgeschrieben, dass Menschen, den unterstellt wird, gebären zu können, nicht die volle Kontrolle über ihre Körper zugestanden wird. Diese Gesellschaft macht Menschen, die theoretisch gebären können, zu Frauen, ob sie es wollen oder nicht, und sie unterstellt ihnen, irrational, überemotional und (jeglicher) vernünftiger Entscheidung nicht fähig zu sein. Das ist zentraler Bestandteil des Patriarchats und macht die Regelung zu Abtreibungen in Deutschland im Kern aus.

Die Kontrolle derer, die gebären können oder von denen der Staat denkt, dass sie gebären könnten, durchzieht die Geschichte kapitalistischer Gesellschaften. Die Walpurgisnacht war lange Zeit ein zentraler Bezugspunkt von Feminist*innen in Kassel. Sich darauf zu beziehen ist wichtig – nicht, weil Esoterik oder Mystik zu verteidigen sind. Vielmehr muss daran erinnert werden, dass die massenhafte Verfolgung von Frauen, welche mit der Durchführung von Abtreibung sowie ihr Wissen über Verhütung und Gesundheitsversorgung zur selbstbestimmten Reproduktion beitrugen, (dass deren Verfolgung) für den Übergang zur kapitalistischen Gesellschaft notwendig war.

Heute sehen wir uns religiös- konservativen bis faschistischen Gruppen gegenüber, die in letzter Konsequenz Frauen allein auf ihre vermeintliche Gebärfähigkeit reduzieren. Sie wollen den weißen, nicht-behinderten cis Frauen das Abtreiben und den nicht-weißen oder behinderten Frauen und queeren Menschen das Kinder gebären verbieten. Auf der anderen Seite werden als Frauen gelesene bei der Einstellung in der Firma entweder schonmal im Voraus gefragt, wann sie denn planen, schwanger zu werden. Oder ihnen wird direkt das Einfrieren der Eizelle nahegelegt, damit sie möglichst lange produktiv sein können, ohne dass eine Schwangerschaft dazwischen kommt.

Selbstbestimmung über unsere Körper können wir daher nur erkämpfen, wenn wir die kapitalistische, rassistische und patriarchale Gesellschaft überkommen. Um dem näher zu kommen,können wir von der Frauenrevolution in Rojava lernen und das bedeutet zweierlei:

Zum einen müssen wir uns immer wieder mit der eignen Widerstandsgeschichte auseinandersetzen, um daran anknüpfen zu können. Das heißt, sich immer wieder klar zu machen, dass die Tatsache, dass Abtreibungen in Deutschland straffrei und einigermaßen zugänglich sind, das Ergebnis von Kämpfen ist. Sich auf diese Kämpfe zu beziehen, von unseren Genoss*innen zu lernen, die diese Kämpfe geführt haben und sie gemeinsam weiterführen, ist das eine.

Zum zweiten muss das Patriarchat überall dort bekämpft werden, wo es uns begegnet:

– wenn Frauen, inter, trans und nicht- binäre Menschen vergewaltigt oder sexuell belästigt werden
– wenn Femizide und queerfeindliche Morde passieren
– wenn reproduktive Rechte von Frauen und inter, trans und nicht- binäre Menschen bedroht sind oder eingeschränkt werden
– wenn wir Frauen- und Queerfeindlichekeit im Alltag erfahren
– wenn Frauen und inter, trans und nicht- binäre Menschen Rationalität abgesprochen, sie aus Räumen ausgeschlossen oder abgewertet werden

dann müssen wir uns autonom organisieren und verbünden, denn nur durch die autonome Organisierung war die Frauenrevolution in Rojava so erfolgreich.

Lasst uns dazu in Austausch miteinander treten und voneinander und von internationalen feministischen Protesten lernen. Wir stehen solidarisch mit allen, die im Zuge feministischer Proteste gegen Patriarchat, religiösen Fundamentalismus und Nationalismus kämpfen.

Keine Frau, inter, trans oder nicht binäre Person soll sich patriarchaler Gewalt und Abwertung gegenüber alleine sehen.

Nur organisiert können wir unsere Selbstbestimmung erkämpfen!