Heraus zum 1. Mai – Redebeitrag

Liebe Freund_innen, liebe Genoss_innen

auch wir gratulieren allen Arbeiter_innen, allen Werktätigen und Angestellten zum diesjährigen 1. Mai. Wir müssen nicht wiederholen, was die Freundinnen des Feministischen Streiks und von Feminism Unlimited Kassel bereits gesagt haben. Ihre Worte sind auch unsere Gründe heute hier zu sein.

Wir möchten mit euch aber auch einige Worte der KCK, der Union der Gemeinschaften Kurdistans zu diesem Tag teilen, die sagen: „Der 1.Mai ist der Tag, an dem die Menschen unabhängig von Hautfarbe, Religion, Sprache oder Geschlecht, ihre Sehnsucht nach einer freien und demokratischen Welt laut herausschreien. Sie haben den 1. Mai zu einem Tag der Demokratie, der Freiheit und des kollektiven Lebens gemacht. Der 1. Mai wurde unter großen Opfern als Tag der Einheit, der Solidarität und des Kampfes erstritten. Seitdem hat es so viele Gefallene gegeben. Wir gedenken voller Dankbarkeit und Respekt allen Gefallenen des 1. Mai und des Kampfes der Arbeiterinnen und Arbeiter.“

Wir teilen die Worte der Gemeinschaften Kurdistans mit euch, weil wir nicht umhinkommen, auch an diesem Tag über die erneuten massiven Kriegshandlungen des türkischen Regimes gegen die kurdische Bewegung zu sprechen. Wieder einmal fallen türkische Bomben mit der Unterstützung von Deutschland.

Denn während wir hier stehen, kämpfen unsere Freund_innen in den Bergen Südkurdistans gegen den türkischen Faschismus. Die Angriffe sind diesmal heftig und großflächig. Sie kommen aus der Luft, von Bodentruppen und unter Einsatz von Chemiewaffen.

Sie versuchen eine Bewegung zu zerstören, die immer auch Arbeiter_innenbewegung war. Für die kurdische Bewegung war der Kampf der Arbeiter_innen immer an eine radikale Umgestaltung der Gesellschaft gebunden. Dafür kämpfen sie seit über 40 Jahren. Dafür organisieren sich mittlerweile hunderttausende in der Bewegung und bauen nicht nur in Rojava ein basisdemokratisches, geschlechtergerechtes und solidarisches System auf. Und genau dafür stehen sie gerade unter dem Bombenhagel der türkischen Flieger. Dass sich in Kurdistan tatsächlich so viele Menschen miteinander organisieren, dass sie es schaffen aus ihrer Wut gegen Kapitalismus und Patriachat ein neues System aufzubauen – das kommt uns manchmal so unfassbar weit weg vor. Und doch passiert es gerade, es ist real.

Gerade in der Pandemie fällt es uns oft schwer, unseren Blick nicht nur auf das Private zu richten, sondern zu sehen, dass von Mexiko bis Kurdistan, von Brasilien in den Sudan nach Frankreich sich Menschen für eine solidarisches Miteinander einsetzen und dafür kämpfen.

Nachhaltige Lösungen der Pandemie kommen nicht von Staaten, sie kommen von sozialen Bewegungen weltweit. Die Pandemie zeigt uns wie sehr wir aufeinander achten müssen, um Menschenleben nicht leichtfertig zu gefährden. Mit der Solidarität, von der die Staaten gerade sprechen, hat das einen Scheiss zu tun. Ihre Solidarität heißt, vor, während und nach der Pandemie: Lohndumping, Privatisierung, Überwachung und Ausbeutung. So wie die Corona-Pandemie gerade durch die Staaten bearbeitet wird, wird sich an den grundlegenden Problemen nichts ändern. Wir gehen mit dieser Welt zugrunde, wenn wir sie weiter mit Egoismus, Konkurrenz und Gier zumüllen.

Aber wir sind hier, weil wir wissen, dass eine langfristige Lösung der Pandemie und Krise nur mit einer grundlegenden Gesellschaftsveränderung möglich sein wird. Radikale Arbeitszeitverkürzung ist kein fixes Hirngespinst, es ist der ernsthafte Versuch nach einem Miteinander, das grundlegend anders organisiert ist. Wenn wir radikale Arbeitszeitverkürzung von unten durchsetzen können, dann schaden wir damit dem System das uns kaputt macht. Wir wissen, das wir genau das brauchen.Jeder einzelne der Redebeiträge ist ein Puzzleteil davon. Weil es uns und allen anderen, die die Drecksarbeit machen müssen hilft, mehr Zeit, mehr Würde und mehr Selbstbestimmung zu erlangen.

Wenn wir etwas von der kurdischen Bewegung lernen können, dann ist es tatsächlich wieder daran zu glauben, dass große Veränderungen möglich ist. Die uns zeigt, das der Kampf der Arbeiter_innen immer feministisch sein muss. Eine Veränderung, durch die wir solidarisch und selbstbestimmt miteinander leben können. Und wir können von ihr lernen, das wir mit unserer Suche nach Veränderung nicht allein sind.

In Solidarität mit den Kämpfer_innen in den Bergen Kurdistans.
Auf einen kämpferischen 1. Mai.