Liebe Freund_innen,
danke, dass ihr es uns ermöglicht habt, so spontan noch etwas zu sagen. Am 8. Mai gemeinsam auf die Straße zu gehen ist mehr als symbolisches Zeichen gegen den Faschismus. Weil dieser Tag mehr als ein Symbol ist, das haben all unsere Vorredner:innen deutlich gemacht. Er ist nicht nur ein Symbol, weil der Kampf gegen den Faschismus lange nicht abgeschlossen ist, sondern tagtäglich stattfindet, nicht nur hier vor Ort.
Es sind mittlerweile 14 Tage seit denen die Türkei unablässig Gebiete der kurdischen Freiheitsbewegung angreift. Es ist Krieg in Kurdistan. Gerade jetzt. Gerade jetzt fallen Bomben, fällt Giftgas und wird geschossen.
Manchmal kommt es uns vor, als wäre dieser Krieg weit weg. Es kommt uns vor, als gäbe es kaum andere Meldungen aus diesem Gebiet Kurdistan – aus Syrien, dem Irak, dem Iran oder der Türkei.
Dabei gibt es ja unzählige Geschichten aus dieser Region. Von Antifaschisten in der Türkei, die sich gegen ein mörderisches, frauenverachtendes System zur Wehr setzen und dafür ohne prozesse im Knast sitzen. Von Frauen in Syrien und Rojava, die fernab des Staates ihre Kommunen organisieren und sich gegenseitigausbilden. Von Menschen im Sengal, die nach den unvorstellbaren Grausamkeiten des IS ihre eigenen elbstverteidigungsstrukturen aufbauen. Oder eben von der Guerilla in den Medya Gebieten, die ihr Bestes versucht, die Aggressionen dagegen zurückzuschlagen. Sie alle sind miteinander verbunden und kämpfen gemeinsam. Erdogan weiß genau das. Er weiß, dass eine Vernichtung der Guerilla in den Bergen auch das Aus für den demokratischen Aufbau in der Region bedeutet. Und er weiß, dass seine Repression gegen die Zivilgesellschaft in der Türkei, die Besatzung der Selbstverwaltungsgebiete in Rojava auch Krieg gegen die Guerilla ist.
Der antifaschistische Widerstand dort zeigt uns deswegen ganz viel, wovon wir lernen können. Nämlich dass Antifaschismus immer alle diese Puzzleteile braucht, um erfolgreich zu sein. Nicht der demokratische Aufbau allein reicht, nicht die Geschlechterbefreiung allein, nicht der ökologische Anspruch allein reicht. Und auch nicht, die Faschisten militant zu bekämpfen. Alles für sich sind antifaschistische Kämpfe, aber erfolgreich sind sie nur gemeinsam.
Und wenn uns der Krieg und die Entwicklung in der Türkei etwas zeigt, dann einmal wieder, dass der Faschismus nicht ohne Allianzen funktioniert. Dass dieser Krieg gerade stattfinden kann, liegt auch daran, dass er von außen geduldet und unterstützt wird. Deutsche Behörden und Regierung sind hier an vorderster Front, auch wenn sie gut darin sind das hinter ihrer Heuchelei und Bürokratie zu verstecken.
Aber ohne die Zustimmung der Maasens und Kramp-Karrenbauers könnte Erdogan diesen Krieg nicht führen. Ohne die Rückendeckungen der Innenministerien, insbesondere Hessen, funktioniert die Bekämpfung der kurdischen Bewegung nicht, auch wenn hier weniger geschossen wird, sondern abgeschoben, entrechtet und verurteilt. Ohne dass in dieser Stadt fröhlich weiter die scheiß Panzer produziert werden, könnte Erdogan nicht in seine Kriege ziehen.
Die Lage ist offen gesagt scheiße, auch wenn die türkische Armee gerade kaum voranrücken kann und wirklich massiv zurückgeschlagen wird. Trotzdem ist unklar, wie lange die aktuellen Angriffe noch weiter laufen werden. Vor allem ist klar, dass das nicht der letzte Vorstoß bleiben wird. Erdogan will ein Ende der kurdischen Freiheitsbewegung, auch weil er seine selbsterklärten Ansprüche auf die umgrenzenden Gebiete der Türkei ausweiten will. Afrin, Serekanyie, Bergkarabach, die Medya Gebiete – die Liste seiner mörderischen Annektionen ist lang und wir dürfen ihm nie glauben, wenn er etwas von „sicheren Pufferzonen“ faselt.
Es gäbe noch sehr viel mehr dazu zu sagen, sprecht uns als Women Defend Rojava oder die Freund:innen vom kurdischen Verein gern an, wenn ihr im Gespräch bleiben wollt.
Wir sind heute am 8. Mai auf der Straße, weil wir Erinnern, Widerstand leisten und Konsequenzen einfordern. Das ist unsere Verantwortung gegenüber allen, die unter dem Faschismus sterben mussten und gegenüber allen, die für eine bessere Welt kämpfen.
Wir erinnern deswegen aller Antifaschist_innnen, die in diesem Kampf ihr Leben ließen, in allen Ländern dieser Welt. Wir erinnern auch an diejenigen, die gerade jetzt in den kurdischen Bergen ihr Leben und das ihrer Mitmenschen verteidigen müssen.
Sie leisten Widerstand, indem sie mit Waffen einer NATO Armee gegenüber stehen. Auch wenn dieser Widerstand nicht nur militärisch ist, gerade jetzt kann er nur überleben wenn er zurückschießt.
Und natürlich muss das Konsequenzen haben. Aber unsere Konsequenzen sind nicht nur Forderungen an andere. Unsere Konsequenz ist auch, dass wir selbst es nicht dulden, dass der Faschismus in diesem Land noch mehr Füße auf den Boden kriegt. Genauso wenig dulden wir, dass der Faschismus woanders unterstützt oder ignoriert wird. An den Staatsgrenzen macht er nicht halt, das hat er noch nie getan. Deswegen ist unser Kampf dagegen internationalistisch und er steht gemeinsam mit der kurdischen Bewegung in den Bergen und überall anders.